Mittwoch, 11. April 2012

"Die Gruppe - ein Entwicklungsprozess"

 

Renoldner et al. beschreiben in ihrem Beitrag "einfach systemisch" verschiedene Phasen im Entwicklungsprozess einer Gruppe. Sie machen dabei Ähnlichkeiten aus zwischen einer Arbeitssitzung und einer Unterrichtseinheit (S. 99). Sie beschreiben darin Möglichkeiten und Aufgaben der Lehrperson in den unterschiedlichen Gruppenphasen die Gruppe "zu unterstützen, zu strukturieren und anzuregen" (vgl. S. 99-100). Die anschliessende Ausführung fasst diese Phasen kurz zusammen und stellt die Verbindung her zum Kontext und Erfahrungsbereich der kaufmännischen Berufsfachschule. 

1) Die Autoren beschreiben eine Anfangsphase. Hier geht es für einen Pädagogen darum, einen sicheren Rahmen zu schaffen wie etwa die Sitzordnung, Verhaltensregeln, Normen während der Arbeit in der Gruppe. => Aus meinem Erfahrungsbereich gestaltet sich diese erste Phase umständlich und in der Praxis nicht durchführbar. Es gibt an meiner Schule eine klare Aufstellungsordnung der Bänke, welche zumindest nach der Doppellektion wieder in ihren Ausgangszustand zu bringen ist. Die Klassen wechseln nach jeder Doppellektion in ein anderes Klassenzimmer und es kommt eine neue hinein. Zu viel Zeit ginge verloren für das Umstellen der Bänke. Möglich ist allerdings, während der Gruppenphase, bis zu einem bestimmten Grade die Tische und Stühle vor dem Klassenzimmer zu nutzen und das "Klassenzimmer damit zu vergrössern".

2) In der anschliessenden Kooperationsphase gilt es, die Selbstorganisationskräfte wahr zu nehmen, den Frontalunterricht kurz zu halten und das Verhalten der Gruppenmitglieder mittels Aufgaben zu unterstützen. In der Zeit der Gruppenarbeit erfahre ich, dass die Gruppenmitglieder mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Ein Spagat tut sich auf, welcher durch die Heterogenität der Klasse bedingt ist. Bei lang ausgedehnten Gruppenarbeiten vergrössert sich der Zeitunterschied: die einen sind schon sehr weit, während die anderen ohne ein grösseres Coaching noch nicht so weit wären. - Möglich ist allerdings eine Orientierung am Engpass der Klasse. Dabei gilt es, sich auf ein weniger schnelles Vorwärtskommen in der Klasse einzustellen und stattdessen den schnelleren Lernenden mit Erweiterungs- und Vertiefungsaufgaben zu begegnen. Damit lassen sich Gruppenarbeitsphasen ohne grossen Leerlauf erzeugen. Eine zweite Alternative, welche hier eingesetzt werden kann, ist dass die Heimarbeit mit eingeplant werden kann und damit die Zeit ausserhalb der Schulstunde in die Kooperatinsphase aufgenommen werden kann. => Beispiel LernJobs, welche in der Klasse begonnen werden aber zu Hause beendet werden. 

3) Die Konfrontation folgt der Kooperationsphase. Der Inhalt dieser Phase besteht darin, die Konfliktparteien in einen Dialog miteinander zu bringen, und eine direkte Kommunikation zu ermöglichen. Es eignet sich im Kontext gut bei kleineren Arbeitspaketen an die Klasse oder beim Austausch der Ergebnisse aus den LernJobs von zu Hause möglich. In längeren Gruppenphasen leidet die Konfrontationsphase durch die Heterogenität in der Kooperationsphase. Wenn die Gruppen - bedingt durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Kooperationsphase unterschiedlich weit sind - erschwert sich dadurch ein gemeinsamer Einstieg in die Konfrontationsphase. 

 4) Phase der Integration: Die Bedingung ist, sich "unsichtbar" zu verhalten und neue Aufgabenstellungen zu moderieren. Diese Phase ist zum Grossteil davon abhängig, wie gross der Anklang und der Erfolg der vorhergehenden Phasen war. Bei anregenden Themen und bei rege verlaufenden Kooperations- und Konfrontationsphasen fällt diese Phase nicht schwer: die Lernenden sind beim Thema und lassen sich nur bedingt ablenken. Der Erfolg für diese Phase wird damit bereits in den Phasen zuvor gelegt. 

5) Die fünfte und letzte Phase verkörpert die Trennung und den Abschied. Eine Gruppe löst sich auf. Diese Phase wird als eine eher negative Phase beschrieben. Irritierend mag hier aus meinem Erfahrungsbereich erscheinen, dass die Gruppenphase auch ein offizielles Ende hat und eine Abgeschlossenheit aufweisen sollte. Erst danach können sich weitere Gruppenarbeiten anschliessen.  

Fazit: Die ersten vier Phasen lassen sich in den Wochen, in denen die Unternehmensplanspiele an der Berufsschule stattfinden, sehr gut umsetzen mit einem hohen Anteil an Motivation, welche die Lernenden bereits im Vorfeld mitbringen. Dabei handelt es sich um intensive Arbeiten in Gruppen, welche für je eine Woche ein imaginäres Unternehmen zu führen haben. Die Lernenden simulieren die Geschäftsleitung und stehen für ihre Entscheidungen ein. Hauptsächlich agieren die Teilnehmer in den Gruppen; nur zu gemeinsamen Zwischenberichten und Kurzinputs kommen sämtliche Teilnehmer zusammen. - Der enge Praxisbezug, der Wettbewerbsgedanke sowie das Erfüllen der Leistungsnachweise während der Woche, schweisst die Gruppenmitglieder zusammen und motiviert. Dann und wann tauchen soziale Konflikte in den Einzelgruppen auf, bei denen es genügte, wenn die Lernenden die Konflikte selbständig lösen (manchmal unter meiner Moderationsobhut durch die Lehrperson).

Literatur:
Christa Renoldner, Eva Scala, Reinhold Rabenstein: einfach systemisch. Ökotopia Verlag, Münster, 2007.

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